Vom Reformator zum Terroristen

Eos Schopohl inszenierte das Strindberg-Projekt "GlaubensStürme" im Einstein

Der Kopf des Theaters Fisch & Plastik: Eos Schopohl (Foto: C.Strub)Radikale Forderungen nach geistiger Freiheit und sozialer Gerechtigkeit stellte der 23-jährige August Strindberg 1872 in seinem ersten Drama "Magister Olof" über den schwedischen Reformator Olof Pedersen. Aufgeführt wurde es erst 1881 nach mehreren Überarbeitungen. Die Regisseurin Eos Schopohl hat das selten gespielte Jugendwerk bearbeitet und mit ihrer freien Gruppe Theater Fisch & Plastik unter dem Titel "GlaubensStürme" inszeniert. Premiere ist heute um 19.30 Uhr im Kulturzentrum Einstein (Karten-Telefon: 24 29 46 91, Vorstellungen bis 4. April).
Eos Schopohl, Expertin für schwierige Stücke an ungewöhnlichen Spielorten, ging es dabei nicht um die historische Figur des "schwedischen Luther" Olaus Petri (1493 - 1552). Sie versetzt Strindbergs "Suche nach Wahrheit und den Freiheitsgedanken" in eine neutrale Zeit. "Mich interessiert, wie aus der Ideologie eine Mission entsteht", sagt sie. "Wenn der Wunsch nach Gerechtigkeit auf Erden und geistiger Freiheit zur Mission wird, ist das einerseits positiv, aber die Gefährdung, in den Terror abzugleiten, ist sehr groß. Olof ist ein Idealist, der trotz aller Zweifel auf die Staatsmacht vertraut und verraten wird. So kommt er in ein Fahrwasser, in dem er keinen anderen Ausweg mehr sieht, als Terrorist zu werden." Assoziationen zum Linksradikalismus der 60er und 70 er Jahre und zu den Gotteskriegern von heute sind erlaubt.
Als zweite Komponente sieht Schopohl die Selbst-Überforderung der Figuren. "Olof möchte seine Ideen für die ganze Menschheit umsetzen, scheitert aber schon im eigenen Umfeld. Er kommt nicht mal mit seiner Ehe zurecht. Im Taumel landet man in einem Alltag, den man gar nicht bewältigen kann. Bei Strindberg scheitern alle engagierten Menschen mit viel Herz und dem Wunsch nach Veränderung." 
Schopohl inszeniert das Kammerstück als Stationentheater mit ständigem Perspektivewechsel - die Zuschauer müssen von Ort zu Ort durch alle Einstein-Hallen mitwandern. 
Gabriella Lorenz


 
TZ 20./21. März 2004

In Gottes Namen

Rainer Haustein als Magister Olof (Foto: Derlath)Mit heiligem Zorn greift Magister Olof zur Waffe, um seinen Versucher abzuwehren: Die Waffe ist ein Kreuz. Da verteidigt Olof noch die katholische Kirche. Später, als sich der "schwedische Luther" zum Protestanten entwickelt hat, als heftige Kämpfe zwischen Kirche und König entbrannt sind, wird er gefesselt und gefoltert: am selben Kreuz. Starke Bilder sind das, die unter die Haut gehen - die aktuelle Weltpolitik von Afghanistan bis Irak spielt im Subtext mit; immer wieder werden auch heute noch Auseinandersetzungen im Namen des Glaubens ausgetragen.
Wieder hat Regisseurin Eos Schopohl im Fundus der Literaturgeschichte ein unbekanntes Stück entdeckt, in dem sie geschickt unsere Gegenwart spiegelt: Sie bearbeitete August Strindbergs Jugendstück "Magister Olof" zum dramatischen Projekt "GlaubensStürme".
Ideal gewählt der Spielort in den labyrinthischen Katakomben der Einsteinhallen: asketisch ausgestattet, in mystisches Dämmerlicht getaucht und von atmosphärisch aufgeladener Musik durchzogen (Bülent Kullukcu). Hier werden die Zuschauer zu den einzelnen Schauplätzen geführt, erleben die einzelnen Ideenträger zwischen Idealist Olof (glänzend Rainer Haustein) und Revolutionär Gert (Robert Spitz), zwischen rigidem Bischof (Joachim Bauer) und Machtpolitiker Gustav (Wolfram Kunkel).
Eigentlich ein Männerstück: Am faszinierendsten sind die geistreichen Dispute. Die privaten Szenen mit Mutter (Monika Manz) und Frau (Tamara Hoerschelmann) fallen dagegen in der Intensität etwas ab (bis 4.4.)
B. WELTER


 
Abendzeitung 20./21. März 2004

Hier steht er und kann nicht anders

Das Theater Fisch & Plastik spielt "GlaubensStürme"

Bedrückt stehen gläubige Katholiken vor verschlossener Kirchentür: Weil die Stadt keine Kirchensteuer bezahlen konnte, hat der Bischof zur Strafe den Laden dichtgemacht. Zeit für Veränderungen: Der für Luthers Reformideen entbrannte Priester Olof Pedersen läutet eigenmächtig die Glocke und predigt auf Schwedisch statt auf Latein. Das macht ihn fast wider Willen zum Führer der Religionsrebellen - und zum Sekretär des Königs Gustav Wasa, der seine Chance wittert, die Macht des Papsttums im Staat zu beschränken. Geistesfreiheit und Sozialgerechtigkeit forderte der 23-jährige August Strindberg in seinem Erstlingsdrama "Magister Olof" über den schwedischen Reformator Olaus Petri. Eos Schopohl, die das sperrige Jugendwerk mit dem Theater Fisch & Plastik in den Gewölben des mittlerweile fast leerstehenden Ex-Kulturzentrums Einstein inszenierte, zeigt, wie aus Oberzeugung Fanatismus, aus Idealismus Terrorismus wird. "GlaubensStürme", der Titel ihrer Bearbeitung, meint sowohl den religionspolitischen Umsturz-Versuch wie die inneren Kämpfe des "schwedischen Luther". Als Olof (Rainer Haustein) begreift, dass er dem jovialen König (Wolfram Kunkel) nur als Werkzeug gedient hat, beteiligt er sich an einem Bombenattentat auf den Monarchen. Von Halle zu Halle wandert das Publikum drei Stunden mit durch die düstere Entwicklung. Umgeworfene Stühle (Bühnenbild: Lucia Nußbächer) symbolisieren den Bildersturm in den Kirchen. Auf dem Zweisitzer-Sofa gerät eine Liebesehe ins Wanken: Olof liest hehre Philosophie, seine junge Frau Kristina (Tamara Hoerschelmann) will sich verzweifelt emanzipieren gegen sein Verdikt: "Das verstehst du nicht!" Privat scheitert der verbissene Aufrührer auch an seiner herrischen Mutter (Monika Manz), die ihren Sohn noch im Tod als Ketzer verflucht. Und angesichts der Hinrichtung zeigt der wendige Agitator und Bombenbastler Gert (Robert Spitz) konsequentere Haltung als Olof. Da hat sich ein Mensch zwischen Diplomaten (Hubert Bail), Kirchenfürsten (Joachim Bauer) und Einflüsterern (Arthur Galiandin als Lars) verloren. Er konnte nicht anders. 
Gabriella Lorenz

aktuell chronik mitarbeiter vorbestellung kontakt