Nieder mit der Macht der Männer!

Reithalle: Eos Schopohl inszenierte Ödön von Horváths "Don Juan kommt aus dem Krieg"

Wagemut, hoher Einsatz und die zu Dreivierteln gelungene Ausgrabung eines Stückes von Ödön von Horváth. Und das in der ungeschützten freien Theaterszene. In der Reithalle, einer profanen Theater-Kathedrale von einfacher Schönheit (und etlichen technischen Tücken), inszenierte die Regisseurin Eos Schopohl "Don Juan kommt aus dem Krieg". 1936 im Exil geschrieben, ist das Stück eine sehr freie Variante auf den Don-Juan-Mythos in unserer Zeit. Der Kriegsheimkehrer glaubt, ein anderer geworden ' zu sein, doch er bleibt, der er ist (Heßstraße 132, tägl. 20 Uhr bis 24. 4.; Karten: bei Beck und Kiosk Marienplatz sowie Abendkasse).
Es ist nicht ohne Witz, wenn die Zuschauer nach Mann und Frau separiert auf zwei gegenüberliegenden Tribünen platziert werden. Das isoliert, beraubt der vertrauten Partnerwärme. Und hat insofern mit dem Stück zu tun, als Horvath seinen Don Juan, bei ihm der Prototyp Mann, Sieger und Verlierer zugleich, mit einer Phalanx von fünfunddreißig Frauen konfrontiert. Die Frauen halten das Leben fest, der Mann ist auf der Reise. Eine fragt: Wo sind eure Männer? Im Massengrab. Schluss mit der Vorherrschaft des Mannes." Horváth schreibt keine feministischen Thesen. Er dichtet und verdichtet die Atmosphäre (bei ihm nach 1918). Auf der weiten, nur mit wenigen Requisiten georteten Raumbühne (Lucia Nußbächer) stehen Holzkreuze zu beiden Seiten, ein makabrer Heldenfriedhof. Eos Schopohl verflicht die einzelnen Szenen zu einer phantasievoll bewegten Raum-Bild-Choreographie mit makabren und witzigen, revuehaften, von Songs und Ziehharmonika (Christi Mayr) intonierten Bildern. Und immer ist der Tod als Menetekel spürbar, er gehört zum Mythos wie zum Krieg. Vom Anfang, wo gespenstische Trümmerfrauen die Grabkreuze demontieren und in Karren und Rucksäcken als Brennholz abschleppen, bis zu Don Juans Tod am Grab der verlassenen Geliebten, evoziert die Inszenierung wunderschön diese Welt der Frauen, in der der Mann die (wahre?) Liebe sucht, oder das Leben. Und beides ihm entgleitet, in der Kälte flüchtiger Affären. Köstlich und bildersatt, wie die Mondänität von Bars, die schnippische Sentimentalität der Hurenszenen, die mystische Angst der kleinen Eisprinzessin, die Affäre mit der reifen Witwe (prächtig lieb und giftig: Eva Maria Bayerwaltes), die teuflische Großmutter (Hildegard Krost), wie in einem Reigen herausgeleuchtet werden. Und da liegt der Knacks des Stückes: So einleuchtend Horváths Idee vom unbehausten Don Juan in Feldgrau ist, er verliert die Figur in der Folge der Salonszenen. Und die Inszenierung malt sie aus, vergnüglich, selbstverliebt. Marcus Off Überzeugt, solange er, ein entgleister Traumtänzer, sich hilflos suchend von den Weibern vereinnahmen lässt. Als schmucker Verführer ist er nur noch das. Der Tod in der Kälte, weiße Tücher bedecken leicht wie Luft den Raum, findet wie der zurück zum starken Anfang. Elf Schauspielerinnen sind die Frauen - treffliche Miniaturen allesamt.
   Ingrid Seidenfaden

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